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Gegenwind #1: Die Psychoanalytikerin

Wie ich schon in einigen Beiträgen beschrieben habe, bin ich aktuell in psychologischer Behandlung. Leider wird meine Psychotherapeutin in acht Monaten in den Ruhestand gehen. Ich bat sie in der letzten Stunde um eine Einschätzung, inwiefern ich dann noch eine psychologische Begleitung benötigen würde. Sie riet mir, weiterzumachen. Also fing ich direkt danach an, mich nach einer möglichen Nachfolgerin umzuschauen. Ich schrieb ein paar Mails und rief einige an. Recht kurzfristig erhielt ich einen Termin für ein Erstgespräch bei einer Psychoanalytikerin und freute mich sehr darüber.

Beim Erstgespräch geht es darum, auszuloten, ob man sich vorstellen kann, zusammen zu arbeiten und die angebotene Therapieform passend ist für den Bedarf des Patienten oder der Patientin.

Das Erstgespräch

Im Gespräch selbst berichtete ich davon, dass ich mich wegen meiner langjährigen Beziehungslosigkeit damals in Therapie begeben hatte. Und ich berichtete ihr auch, dass ich mich aktuell in Kinderwunschbehandlung befinden würde. Für mich völlig überraschend, gab sie darauf mir zu verstehen, dass sie mich dann nicht behandeln würde, wenn ich diese Entscheidung getroffen hätte.

BÄM! Gegenwind. Zum ersten Mal.

Als Grund nannte sie, dass sie die Entscheidung, Solomutter zu werden, als Symptom für meine Beziehungslosigkeit verstehen würde. Wenn ich diesen Weg also weiter gehen würde, würde ich mich weiter für die Beziehungslosigkeit entscheiden. Weiter sagte sie, dass mein Wunsch narzisstisch sei, da es dabei nur im mich ginge, ich aber nicht im Blick hätte, dass das Kind ohne Vater aufwachsen würde. Auch stellte sie in den Raum, dass wenn ich nicht in der Lage sei, eine konstruktive Beziehung zu einem Mann zu führen, ob ich dann in der Lage wäre, Mutter zu sein? Gefragt nach der Einschätzung meiner aktuellen Psychotherapeutin antwortete ich ihr, dass sie das Vorhaben absolut unterstütze. Daraufhin erkundigte sie sich bei mir, ob meine Psychotherapeutin approbiert sei und bezeichnete ihre Behandlungspraktik als unprofessionell.

Ich musste ordentlich schlucken, als sie das alles sagte. Mit so einer Reaktion hatte ich in diesem Setting nicht gerechnet. Da für mich aber die Entscheidung für eine Solomutterschaft unumkehrlich war, verabschiedete ich mich nach 20 min von ihr.

Auf dem Rückweg und noch bis in die Abendstunden hinein war ich ernsthaft schockiert. Meine Entscheidung zweifelte ich zu keinem Zeitpunkt an. Ich war erschüttert darüber, wie konservativ und rigoros ihre Einstellung war. Dennoch war es gut, dass sie das direkt adressierte und wir somit eine weitere Zusammenarbeit direkt ausschließen konnten. Ich war zudem stolz darauf, wie ich in der Situation reagierte, dass ich dem Gegenwind gut habe standhalten können. Ich erinnerte mich an die Worte der Psychologin aus meiner psychosozialen Beratung: „Sie werden nicht von allen Menschen Verständnis für Ihre Entscheidung erhalten. Und dann ist es manchmal ratsam, diesen Menschen aus dem Weg zu gehen.“

Nicht alle Menschen werden Verständnis für meine Entscheidung haben, Solomutter zu werden.

Meine Sicht der Dinge

Ich habe bzw. hatte zu drei weiteren Psychologinnen Kontakt. (1) Meine aktuelle Psychotherapeutin, (2) die Psychologin aus der psychosozialen Beratung und (3) eine Freundin von mir. Keine von ihnen hat jemals mir gegenüber ein negatives Wort über meine Solomutterschaft geäußert. Vielmehr unterstützten sie mein Vorhaben mit wertvollen Tipps und Hinweisen. Gegenwind von dieser Seite hatte ich noch nicht erhalten. Was rede ich? Noch nie habe ich Gegenwind von irgendjemandem in dieser Sache erhalten.

Natürlich sehe ich den Zusammenhang zwischen Beziehungslosigkeit und Solomutterschaft. Ich sehe ihn aber anders herum: Ich gehe diesen Weg, weil es anders nicht geht. Außerdem ist nicht mein Kinderwunsch Auslöser für meine Beziehungslosigkeit, sondern andere Gründe, die mir bekannt sind. Und auch mit Kind kann man später noch eine Beziehung eingehen. Aktuell möchte ich nur diese zwei Dinge voneinander entkoppeln. Weil es für den Kinderwunsch irgendwann zu spät sein wird. Einen Partner kann ich später immer noch finden.
Und ich schließe eine Partnerschaft im Zusammenhang mit meiner Solomutterschaft ja auch nicht aus. Im Gegenteil, ich würde sie mir nach wie vor sehr wünschen. Nicht nur für mich, auch für das Kind.

Ich sehe die Solomutterschaft für mich vielmehr als Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung, in der ich auch an meiner Beziehungsfähigkeit arbeiten kann. Schließlich wäre ich nicht das erste Elternteil, dass sich durch eine Elternschaft weiterentwickelt, viel Neues über sich lernt durch die Spiegelung des Kindes, etc.

Und lieber bekomme ich alleine ein Kind, als in einer destruktiven Beziehung eins zu bekommen. Da bin ich nämlich schon einen Schritt weiter und würde so eine Beziehung nicht (mehr) führen wollen. Leider gibt es einige Kinder, die in destruktiven Partnerschaften aufwachsen. Ich war schließlich eins von ihnen. Dabei wollten meine Eltern gerne Kinder. Am eigenen Leibe habe ich trotzdem erfahren, was es heißt, mit empathielosen Eltern, insbesondere eines empathielosen Vaters, aufzuwachsen.

Mir war, als gestattete mir die Psychotherapeutin aus dem Erstgespräch nur ein Kind zu bekommen, wenn ich in einer Beziehung wäre. Dabei hatte ich ihr mitgeteilt, dass ich zu anderen Menschen gesunde Beziehungen führe. Warum sollte ich es also mit meinem potentiellen Kind nicht sein können?

Und was ihr Argument zu meinem Narzissmus („Es geht hier um Sie, nicht um das Kind„) angeht, so muss ich sagen, dass ich froh bin, dass meine narzisstische Seite (die wir ja alle haben) mittlerweile mehr zur Ausprägung kommt. Viel zu lange in meinem Leben habe ich meine Bedürfnisse unterdrückt, mich den Bedürfnissen anderer unterworfen und bin dadurch mehrfach krank geworden. Mit meinem Plan, Solomutter zu werden, versuche ich mir einen Wunsch zu erfüllen, bei dem ich für mein Glück nicht von anderen abhängig bin.
Außerdem ist jeder Kinderwunsch, auch bei Paaren, narzisstisch.

Mir ist auch klar, dass mein Leben sich mit einem Kind nicht in eine wunderschöne Paradieswelt wandeln wird. Im Gegenteil. Es wird anstrengend. Körperlich und emotional. Und das für eine lange Zeit. Darauf bin ich gedanklich vorbereitet und werde mich emotional durch meine Therapie weiterhin darauf vorbereiten. Mir ist auch bewusst, dass es anstrengend für mich werden wird, wenn mein Kind seine Bedürfnisse einfordern wird. Allein, weil es für mich schwierig ist bzw. war, meine Bedürfnisse zu stillen. Und auch, weil ich es als Kind nicht in ausreichendem Maße erlebt habe, dass meine Bedürfnisse durch meine Eltern gestillt wurden. Aber ich weiß darum und kann das aktiv angehen und dagegensteuern. Und mir im Zweifel Unterstützung holen. Viele Eltern tun dies nicht, wenn sie sich überfordert fühlen.

Bezüglich ihres Arguments, dass ich dem Kind den Vater nehme, so sehe ich es wie folgt. Ja, das Kind wird ohne leiblichen Vater groß werden. Das bedeutet viel Verantwortung für mich. Mir ist bewusst, dass es bedeutet, dass das Kind mir später ggf. Vorwürfe machen wird. Darauf bin ich vorbereitet. Daher ist es mir auch besonders wichtig, für mein potentielles Kind ausreichend männliche enge Bezugspersonen im Leben bereitzustellen (z. B. durch Krippen und Kitas mit männlichen Erziehern, einem guten Freund als Pate, und ggf. einem Partner an meiner Seite). Mir sind alle diese Themen bekannt und ich gebe mein Möglichstes, um das auszugleichen. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber auch darum, wie schlimm es für ein Kind ist, zwar einen Vater zu haben, der jedoch nicht in der Lage ist, emotionale Bedürfnisse zu stillen.

Zu ihrem Argument, dass ich vielleicht nicht bereit bin, Mutter zu werden, weil ich entwicklungstechnisch nicht weit genug bin, kann ich entgegnen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, gesunde und emphatische Beziehungen zu führen. Zu Freundinnen und Freunden, zu Arbeitskolleg:innen. Auch gegenüber meiner Familie kann ich meine Bedürfnisse äußern, auch wenn sie hier nicht gehört bzw. nicht auf sie Rücksicht genommen werden. Es sind halt die Paarbeziehungen, bei denen ich „kranke“. Das heißt nicht per se, dass ich zu meinem Kind keine adäquate Beziehung aufbauen kann. Diese Unterstellung fand ich erschütternd.

Ich fand es unprofessionell, dass sie mir gegenüber nicht gesagt hat, dass meine geplante Solomutterschaft ein Problem für sie ist, sondern dass sie versucht hat, mir die volle Schuld aufzutragen. Mir kam es so vor, als sei sie auch noch nicht in der aktuellen Gesellschaft angekommen. Familien gestalten sich nicht mehr nur ausschließlich im klassischen Familienmodell. Was hätte sie einem homosexuellen Pärchen mit Kinderwunsch entgegnet? Auch keine Kinder zu bekommen, weil dann die leibliche Mutter oder der leibliche Vater fehlen würde? Wichtig für eine sichere Bindung und für die Bildung von Urvertrauen sind nicht einfach nur die pure Anwesenheit von Eltern, sondern die Befriedigung der Bedürfnisse eines Kindes an sich.

Schlussfolgerungen für weitere Erstgespräche

Meine Sorge ist nun vielmehr, dass auch andere Therapeut:innen die Sicht dieser Psychotherapeutin teilen und es deswegen schwer für mich werden wird, einen Therapieplatz zu erhalten. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass ich bei Psychoanalytikerinnen vielleicht besser aufgehoben sein würde, als bei tiefenpsychologisch fundierten Psychologinnen. Schließlich machte ich mit meiner aktuellen Analytikerin große Fortschritte. Viel mehr als in den tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapien vorher. Aber nach dem Gespräch machte sich der Gedanke in mir breit, dass ich, bei weiteren Erfahrungen dieser Art, ggf. wieder eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie machen würde. Oder vielleicht auch zu einem männlichen Therapeuten gehen könnte. Das schloss ich bisher für mich aus. Allerdings machten mich zwei Psychotherapeutinnen unabhängig voneinander darauf aufmerksam, dass es mir mit Männern ähnlich ergehen könnte. Da sie sich nämlich ob meines Vorhabens überflüssig fühlten und mir daher unbewusst ebenfalls Gegenwind entgegen bringen könnten. Das war durchaus nachvollziehbar.

Erleichtert war ich, als ich meine Erfahrungen mit meiner Psychotherapeutin und einer befreundeten Psychotherapeutin teilte und sie sehr ähnliche Gedanken zu denen von mir hatten. Mir wurde von beiden geraten, nach einer jüngeren, nicht so konservativen Analytikerin Ausschau zu halten um weniger Gegenwind zu erhalten.

Ich bin sehr gespannt, wie es bei meiner Suche nach einem Platz für eine Psychoanalyse weiter geht. Und ob es typisch für Analytiker:innen ist, die oben genannte Einstellung zu vertreten und mir ordentlichen Gegenwind entgegen zu pusten. Nächste Woche habe ich mein nächstes Erstgespräch.