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Verständnis: Solomutterschaft unter Freundinnen

Seit mehreren Jahren trage ich meinen Kinderwunsch in mir. Noch länger einen Beziehungswunsch. Und da beides sich irgendwie nicht abgezeichnet habe ich in den letzten, sagen wir, 2-3 Jahren, immer mehr über eine Solomutterschaft nachgedacht. Auf dem Weg haben mich viele Freundinnen begleitet. Sie haben ja mitbekommen, dass meine Dating-Versuche immer wieder ins Nichts führten. Und da ich generell ein offener Mensch bin, meinem Umfeld viel Vertrauen entgegen bringe und mit ihm meine Freude und meine Sorgen teile, habe ich auch meine Gedanken in Richtung Solomutterschaft mit meinen Freundinnen besprochen.

Die Sonnenseite

Die Reaktionen, die ich darauf erhalten habe, waren alle positiv und mit viel Verständnis verbunden. „Wenn das jemand kann, dann du!“ hörte ich ziemlich oft. Oder, dass sie es gut finden würden, es alleine anzugehen. Den Kinderwunsch erst mal vom Beziehungswunsch zu trennen. Der Partner für’s Leben kann ja später immer noch kommen. Auch boten mir viele Freundinnen ihre Unterstützung an. Eine Freundin erzählte mir sogar von ihrer Mutter, die sich als Leih-Oma anbieten würde. Freundinnen mit bereits älteren Kindern meinten gleich, dass diese als Babysitter zur Seite stehen würden. Freundinnen mit kleineren Kindern boten mir an, dass ich ja Klamotten und andere Sachen von ihnen haben könnte. Ich war wirklich sehr gesegnet mit den Reaktionen auf mein Vorhaben.

Obwohl ich selbst viele Freundinnen hatte, die selbst auch lange Single waren, hörte ich keine sagen: „Du, ich mach mit.“ Schade eigentlich, aber irgendwie auch verständlich. Da reißt sich ja niemand drum.

Das Gute daran, dass ich es mit vielen geteilt habe war, dass ich dann auch mal sagen konnte, wenn es mir traurig ging deswegen. Oder, dass ich bestimmte Aktivitäten nicht machen wollte, weil mich das zu traurig gestimmt hat. Ich habe viel Verständnis entgegen gebracht bekommen.

Die Schattenseite

Auf der anderen Seite erkundigten sie sich aber auch immer wieder, wie denn der Stand der Dinge sei. Was auch total verständlich ist. Sie nahmen Anteil. Oder waren sie einfach nur neugierig, weil mein Vorhaben so anders war, als das klassischere Leben, das alle anderen führten?

Zugegeben, es fühlte sich manchmal schon so an, als wäre ich Darstellerin in einer Serie, die für die anderen total spannend ist. Sie schalten immer wieder schalten, um zu wissen, was als nächstes passiert.

An dem Punkt merkte ich dann, dass der offene Umgang auch seine Schattenseiten hatte. So sehr in die Tiefe wollte ich dann doch auch nicht gehen. Als Paar wird man ja auch nicht gefragt, wann man mal wieder miteinander geschlafen hat. Und ob dieser und jeder Versuch nun geklappt hätte. Ich fühlte mich wie eine Darstellerin in einer Soap, die die anderen von außen betrachtet spannend finden. Auch, wenn sie es sicherlich alle gut meinten.

Eine langjährige Freundin fragte mich mal, wie wo ich denn stehen würde in meinem Vorhaben. Da erzählte ich ihr erst mal, mit welchen Dingen ich mich aktuell beschäftigen würde. Das waren:

  • Wahl des Samenspenders samt einiger Charakteristika (Größe, Haarfarbe, Stimme, Schreibprobe, Gewicht, you name it…)
  • Wahl der Kinderwunschklinik
  • Klärung Sorgerecht im Falle dessen, dass mir etwas zustoßen würde
  • sozialpsychologische Beratung

Da fiel ihr erst mal die Kinnlade runter. Sie hatte keine Ahnung, was da alles dranhängt. Woher auch? Aber so musste ich ihr nicht verraten, an welchem Punkt meines Vorhabens ich konkret war. Die gleiche Freundin war es auch, die ihrem Freund von meinem Vorhaben erzählte. Und der hatte mir bei einem gemeinsamen Frühstück mit noch einer weiteren Freundin, die von meinem Vorhaben nichts wusste, über den Tisch zugerufen, wie super er „das mit dem Kind“ fände. Na vielen Dank auch.

Zwei anderen, sehr engen Freundinnen berichtete ich von meiner Schwierigkeit, einen Samenspender auszuwählen. Sie schlugen mir vor, beim nächsten gemeinsamen Treffen zusammen zu schauen und zu helfen. Als wir uns dann so durch die Profile klickten, fühlte ich schnell mich so, als würden sie mit mir durch Tinder swipen. Als wäre es eher ein großer Spaß, mal zu schauen, wer sich da so als Samenspender anbietet. Wie eine große Hilfe fühlte sich das eher nicht an.

Als ich dann keinen ihrer Vorschläge gut fand und sie mich fragten warum, meinte ich, dass ich mir die Männer, die dort als Kinder abgebildet waren, als Männer vorstellen würde und diese schlicht nicht attraktiv finden würde. Da meinte eine Freundin, dass ich nicht nach dem Äußeren gehen könnte. Für meine Sorge, dass ich das Kind aufgrund seines Aussehens ablehnen könnte, hatte sie kein Verständnis. Dabei hatte ich ja tatsächlich eine – so fand ich – berechtigte Sorge, dass ich mein Kind nach der Geburt ablehnen könnte. Schließlich würde ich den Kindsvater nicht kennen, hatte keinerlei Gefühl für ihn. Auch die Psychologin in der sozialpsychologischen Beratung meinte, dass man nach der Geburt im Gesicht des Kindes nachgewiesenermaßen nach dem Vater suchen würde.

Obwohl wir generell eine tiefe Verbundenheit hatten und über alles sprechen konnten, war dies beim Thema Solomutterschaft nicht mit allen Freundinnen so einfach wie sonst.

Und warum eigentlich dürfte ich nicht nach dem Aussehen auswählen? So hatten sie es mit ihrem Partner zu Anfang ihrer Beziehung schließlich auch getan. Diesen hatten sie schließlich auch aufgrund einer körperlichen Anziehung ausgewählt. Und genau so versuchte ich mich dem auch zu nähern. Ich empfinde das als völlig intuitives Verhalten. Und es fällt mir schwer, anzuerkennen, dass ich das nun anders machen soll als andere Frauen. Mich machte dieses Unverständnis sehr traurig.

Später sprach ich mit einer der beiden Freundinnen darüber und klärten die Situation noch einmal auf. Ich teilte ihr mit, dass ich es so empfunden hätte, als hätte sie kein Verständnis dafür, wie schwer die ganze Situation für mich wäre. Daraufhin meinte sie, dass es sein kann, dass sich in dieser Sache vielleicht Ratschläge mehr als „Schläge“, denn als Hilfe anfühlen würden und es vielleicht besser sei, einfach nur zuzuhören. So traurig es wohl für uns beide war, gleichzeitig traf es den Punkt.

Vermutlich ist es schwierig, sich in meine Situation reinzudenken und nachzuempfinden, wie es ist, einen Samenspender auszuwählen, wenn man selbst einen Partner hat und sich mit diesem auch Kinder vorstellen kann. Hätte ich einen, würde ich mir über das Aussehen des Kindes wohl auch keine Gedanken machen. Weil ich meinen Partner eh attraktiv finde und das gar keine Rolle spielt. Aber für mich war diese Situation sehr schwer und ich fühlte mich weder unterstützt noch so, als würden sie den ernst der Lage für mich greifen können.

Reden ist Silber, schweigen ist Gold

An dem Punkt merkte ich, dass das Verständnis für meine Situation selbst bei meinen engsten Freundinnen aufgehört hat. Und das hat mich erst mal enttäuscht und traurig gestimmt. Ich hätte mir jemanden gewünscht, mit dem ich meine Entscheidung beraten kann. So, wie ich mir das für viele tiefgreifende Entscheidungen in meinem Leben auch vorgestellt hatte, diese mit einem Partner zu treffen. Aber auch jetzt war ich damit wieder alleine. Das traf mich tief in einer alten Verletzung.

Das war dann auch der Punkt, an dem ich für mich beschlossen hatte, nicht mehr mit meinen Freundinnen über bestimmte Punkte auf dem Weg (und vor allem nicht über konkrete Behandlungsschritte) mit ihnen zu sprechen. Sollte ich bei Treffen dann mal keinen Wein trinken, ist das schon Hinweis genug… Zum Glück fand ich in der Zeit, in der ich diese Erfahrung gesammelt habe, eine große Community in den Sozialen Medien. Dort habe ich viel Verständnis erhalten und mich emotional sehr aufgehoben gefühlt.

Rückblickend würde ich aufgrund meiner gesammelten Erfahrungen wohl erst später anfangen, so offen zu sprechen. Denn der Zuspruch, den würde ich auch dann noch bekommen, wenn ich schwanger würde. Und selbst wenn der Zuspruch nicht gekommen wäre, eine ablehnende Haltung hätte auch nicht hören wollen.